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Betriebsrente: „Angebote genau prüfen!“

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Birgit Wetjen

Autorin

4. Januar 2018

Betriebliche Vorsorge oder Riester-Vertrag: Verbraucherschützerin Stephanie Heise sagt, was neu ist und worauf Sie achten sollten.
herMoney: Das Betriebsrentenstärkungsgesetz ist zu Jahresbeginn in Kraft getreten. Wird die Altersvorsorge über den Betrieb tatsächlich gestärkt?

Stephanie Heise: Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die wir begrüßen. So werden sich die Arbeitgeber zukünftig an der betrieblichen Altersvorsorge beteiligen müssen, wenn sie durch Entgeltumwandlung Sozialabgaben sparen. Auch eine Anhebung der Höchstbeiträge sowie die zusätzliche Unterstützung von Geringverdienern gehen in die richtige Richtung. Darüber hinaus sollen Renten aus der bAV und aus Riester-Verträgen nicht mehr voll auf die Grundsicherung angerechnet werden. Auch das ist positiv.

Wo sehen Sie einen Haken?

Mit dem Sozialpartnermodell („Nahles-Rente“) gibt es eine weitere Alternative, was grundsätzlich zu begrüßen ist. Allerdings wird es für Arbeitnehmer dadurch noch schwieriger, im komplexen Themengebiet Altersvorsorge die beste Lösung zu finden. Die Vor- und Nachteile der verschiedenen bAV-Varianten verstehen viele Menschen schon jetzt nicht. Auch ist noch nicht klar, inwiefern nicht tarifgebundene Unternehmen ihren Mitarbeitern den neuen Weg eröffnen. Es gibt auch noch keine konkreten Produkte, die man bewerten kann.

Ist die neue „Nahles-Rente“ attraktiver als die bisher angebotenen Modelle in der betrieblichen Altersvorsorge?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Ob die neuen Betriebsrenten-Angebote für Arbeitnehmer besser sein werden als bestehende Verträge, hängt von einer Reihe individueller Faktoren ab – etwa dem gewählten Produkt, den ergänzenden Absicherungen, dem Einkommen oder dem schon jetzt gezahlten Arbeitgeber-Zuschuss.

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Für die neuen Angebote soll es keine Garantien geben. Sind Produkte ohne Garantien denn für die Altersvorsorge zu empfehlen?

Garantien sind teuer und können gerade in Zeiten des Zinstiefs zu Lasten der Rendite gehen. Durch den Garantieverzicht sollen die Versorgungseinrichtungen die Versichertengelder rentabler anlegen können, etwa durch einen höheren Aktienanteil.  Die Renditechancen können dadurch steigen. Ob die Rechnung aber aufgeht und am Ende tatsächlich höhere Renten dabei herauskommen, steht und fällt mit der Entwicklung am Kapitalmarkt und dem Anlagegeschick der jeweiligen Versorgungseinrichtung. Den höheren Renditechancen stehen also auch höhere Verlustrisiken gegenüber. Wer die nicht tragen will, kann weiterhin einen der bisherigen Durchführungswege wählen, etwa eine Direktversicherung.

Vor allem Frauen kümmern sich oft nicht genug um ihr Geld. Mit dem Sozialpartnermodell soll das Sparen automatisiert werden. Was heißt das und wie bewerten Sie das?

Die Tarifpartner – also Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften – dürfen sich zukünftig auf ein sogenanntes “Opt-Out” einigen. Dies bedeutet, dass Arbeitnehmer im Rahmen des neuen Sozialpartnermodells automatisch Teile ihres Einkommens sparen, solange sie dem nicht aktiv widersprechen. Bislang mussten Arbeitnehmer für einen bAV-Vertrag selbst aktiv werden. Erfahrungen aus den USA zeigen, dass bei einem Opt-Out mehr Bürger für das Alter vorsorgen.

 Arbeitgeber müssen aktuell nichts beisteuern, wenn der Mitarbeiter per Entgeltumwandlung vorsorgt. Das soll sich ändern. Wird die bAV jetzt attraktiver?

Wenn ein Arbeitnehmer innerhalb der Höchstbeiträge Entgelt umwandelt – also aus dem Bruttogehalt Geld für die Vorsorge spart – müssen weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer auf diesen Betrag Sozialabgaben zahlen. Bei Rentenbezug wird der Arbeitnehmer bisher dann aber doppelt belastet. Denn er muss den kompletten Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung alleine zahlen. Dieses Missverhältnis soll nun teilweise ausgeglichen werden, indem der Arbeitgeber in der Ansparphase 15 Prozent der umgewandelten Summe zur Altersversorgung zuschießt. Das gilt aber nur für Entgelte unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze. Wer mehr verdient, bekommt keinen Zuschuss, weil Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze ja nicht sozialversicherungspflichtig ist und der Arbeitgeber hier auch nichts spart. Grundsätzlich macht die neue Zuschusspflicht die bAV attraktiver. Aber auch mit den 15 Prozent ist es möglich, dass sich Produkte für den Arbeitnehmer aufgrund der hohen Abschluss- und Verwaltungskosten nicht rechnen oder nur dann, wenn er ein sehr hohes Alter erreicht.

Für wen bringt das BRSG denn die größten Vorteile?

Geringverdiener mit einem Einkommen unter 2.200 Euro brutto sollen gezielt unterstützt werden, um sich ein Polster für das Alter aufbauen zu können. Arbeitgeber erhalten steuerliche Anreize, um den Aufbau der Altersvorsorge zu fördern. Schießt der Betrieb dem Arbeitnehmer zwischen 240 und 480 Euro im Jahr dazu, kann er 72 bis 144 Euro sparen. Das könnte die Arbeitgeber dazu bewegen, aktiv zu werden. Der Haken: Der Zuschuss wird freiwillig bezahlt, einen Anspruch hat der Arbeitnehmer nicht.

Was raten Sie Frauen, die bisher noch gar nicht vorsorgen?

Sie sollten zunächst ihre individuelle finanzielle Situation von einem unabhängigen Berater analysieren lassen. Dazu gehört die Berechnung der möglichen Einkommenslücke im Rentenalter genauso wie die der freien monatlichen Liquidität, um heute sparen zu können. Für Mütter kann wegen der Kinderzulagen ein passender Riester-Vertrag interessant sein. Frauen mit geringem Einkommen sollten abwägen, ob die Zulagen bei Riester interessanter sind als der zusätzliche Zuschuss für Geringverdiener in der bAV – sofern der Arbeitgeber diesen anbietet. Unabhängig von geförderter Altersvorsorge kommt bei einem Ansparhorizont von mindestens zehn Jahren auch ein Aktien-Sparplan mit Indexfonds (ETFs) in Frage.

Riestern oder bAV – oder Riester über den Betrieb – oder beides?

Was die beste Lösung ist, hängt vom Einzelfall ab. Für Arbeitnehmer ist es aber oft so, dass die Förderung bei Riester interessanter sein kann als bei der bAV. Denn die Riester-Zulagen (Grundzulage, Kinderzulage) gibt es unabhängig vom Einkommen, sofern der Mindesteigenbeitrag geleistet wird. Das kann für Geringverdiener und Familien mit Kindern interessant sein. Gutverdienende Singles hingegen profitieren eher vom Sonderausgabenabzug. Auch die bAV hat mit der Möglichkeit, Steuern und Sozialabgaben zu sparen, interessante Anreize. Allerdings muss man bAV als Gesamtpaket bewerten und darf sich nicht auf die Ansparphase beschränken. Anleger müssen auch Nachteile einkalkulieren wie die volle Beitragspflicht zur Sozialversicherung in der Rentenphase. Zudem sinkt der Anspruch aus der gesetzlichen Rente, wenn man weniger Sozialversicherungsbeiträge zahlt. Generell gilt: Die bAV wird umso vorteilhafter, je mehr der Arbeitgeber zuzahlt. Ab 40 Prozent ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass sich die bAV lohnt.

Viele Arbeitnehmer werden finanziell gar nicht in der Lage sein, beide Förderungen voll zu nutzen. Denn die Förderhöchstgrenze beträgt bei Riester 2.100 Euro im Jahr, was im Monat 175 Euro Sparbeitrag bedeutet (wobei die Zulagen noch berücksichtigt werden müssen).

Macht es Sinn, über den Betrieb zu „riestern“?

Riestern innerhalb der bAV war bis vor kurzem nicht empfehlenswert, da man in der Ansparphase zwar keine Sozialbeiträge sparen konnte, die spätere Rente aber beitragspflichtig war. Dieser Nachteil wird jetzt zum 1.1.2018 abgeschafft. Ob Riester oder bAV – entscheidend ist neben der Förderung, ob das angebotene Produkt taugt. So sind zum Beispiel fondsgebundene Rentenversicherungen oft mit hohen Kosten für die Kunden verbunden. Lassen Sie Angebote am besten unabhängig prüfen.

 

Stephanie HeiseStephanie Heise ist Bereichsleiterin Verbraucherfinanzen bei der Verbraucherzentrale NRW. Die Verbraucherzentralen bieten bundesweit unabhängige Beratungen auf Honorarbasis zur Geldanlage und Altersvorsorge an. Die Beratungsstelle an Ihrem Wohnort finden sie hier: https://www.verbraucherzentrale.de/beratung

 

 

 

 

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Birgit Wetjen

Autorin

Birgit Wetjen ist Volkswirtin, Finanzjournalistin und Buchautorin. Sie ist überzeugt: Geldanlage ist nicht weiblich oder männlich – aber Frauen haben Berührungsängste und gehen anders an Geldthemen ran.