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War mein Kind ein Karrierekiller?

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Birgit Wetjen

Autorin

22. Februar 2018

Erschreckend, aber wahr: Von Gleichberechtigung fühlen sich Frauen im Job weit entfernt – wenn sie Kinder haben!

Inhalt:

Jede zweite Frau denkt, dass Kinder die Karriere beeinträchtigen

Ich sitze bestens gelaunt mit meiner Freundin Katti im Auto, auf dem Weg zum traditionellen Ladys-Wochenende in Holland. Einmal im Jahr gönnen wir uns das, mindestens! Quatschen und bummeln – oft kommen wir mit ein paar gefüllten Einkaufstüten zurück. Das Radio läuft, ganz nebenbei. Doch dann horchen wir auf. Ein Typ singt von einer Frau, die gestresst vom Job kommt und sich um die Kinder kümmert – statt barfuß durch New York zu gehen oder durch Alaska zu trampen. „Sie fragt sich, wie’s gelaufen wäre – ohne Kinder“, dröhnt der Refrain aus den Boxen . „Und wenn sie tanzt, ist sie woanders, für den Moment dort wo sie will…..“ Wir gucken uns an und lachen.

Ja, Kinder groß zu ziehen ist nichts für Weicheier, da sind wir uns einig. Übermütter waren wir nie – nach langen Skat-Nächten haben wir den Kleinen schon morgens um vier oder fünf Uhr Marmeladen-Brote vor die Tür gestellt, damit sie ja nicht auf die Idee kamen, uns um sechs zum Frühstück zu wecken. Geschadet hat es den beiden nicht. Sie sind jetzt Mitte 20, längst aus dem Haus und können über diese und andere Aktionen herzlich lachen. Und wir? „Weißt Du noch, wie anstrengend das alles war?“, frage ich Katti. Alles für das Kind, daneben Haushalt, Studium und Geld verdienen: „Heute würde ich das gar nicht mehr schaffen.“

Leider sind mit dem Muttersein nicht ausschließlich Glücksgefühle verbunden, vor allem nicht im Job. Das zeigt auch eine Studie des Meinungsforschungsinstituts OnePoll im Auftrag des Bürolieferanten Viking. Anlässlich des bevorstehenden Equal Pay Days am 18. März wollten die Initiatoren wissen, wie gleichberechtigt Frauen sich in der Arbeitswelt sehen. Für die Studie wurden insgesamt 1.000 Arbeitnehmerinnen ab 18 befragt, die in Büros beschäftigt sind.

Das ernüchternde Ergebnis: Mehr als jede 2. Frau (56,4 Prozent) ist der Meinung, dass Kinder einen negativen Einfluss auf die Karriere haben! Offenbar hat das klassische Familienmodell längst noch nicht ausgedient: Der Mann ernährt die Familie, die Frau tritt beruflich für ihre Familie zurück.

Drei von vier Frauen (74,42 Prozent!) gaben an, dass sie die Umstände ihrer Arbeit verändern müssten, nachdem sie Mutter geworden sind. Und 68 Prozent wechseln nach dem Wiedereinstieg in den Beruf gar auf Teilzeit. Für 37 Prozent der Frauen ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf die größte Hürde, um im Job voranzukommen. Kein Wunder also, dass eine von vier Frauen beklagt, sie habe im Job im Vergleich zu den männlichen Kollegen nur begrenzte Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung.

Kind statt Karriere

Als ich mit Katti im Auto sitze, sprechen wir über Kinder und Karriere. Katti verzieht das Gesicht. Als Jugendliche hatte sie viele Flausen im Kopf. Ich war eher ängstlich, aber sie hat immer das Abenteuer gesucht. Als sie 16 Jahre alt war, ist sie sogar mal von zuhause ausgerissen – da hat sie sich mitten im Schuljahr für ein paar Monate nach Italien abgesetzt. Nicht, weil es zuhause in der Familie Streit gab, sondern einfach so: Sie wollte erleben, wie es sich anfühlt, sich treiben zu lassen. Sich in der Fremde zurechtzufinden, in Parks zu schlafen und auch mal die eigenen Grenzen zu spüren. Klingt nach „Trampen durch Alaska“, fällt mir auf, diese Sehnsucht hatte ich nie, weder ohne noch mit Kind! Mit Kind aber sehr wohl manchmal das Gefühl, vor lauter Pflichten zu kurz zu kommen, keine Zeit mehr für mich zu haben – was auch immer das heißen mag. „Sie fragt sich, wie’s gelaufen wäre – ohne Kinder“: Das hallt nach.

Als unsere Kinder zur Welt kamen, haben Katti und ich noch studiert. Studium abbrechen, zuhause bleiben – das kam für mich nie in Frage, wir hätten es uns auch gar nicht leisten können. Gott sei Dank, denk ich heute, so kam ich gar nicht erst in Versuchung, es mir zuhause „gemütlich“ zu machen. Bei Katti war das anders. Wegen des Jobs ihres Mannes war sie mit ihm aus Bayern nach Köln gezogen. Ihr Mann verdiente gutes Geld und hat recht schnell Karriere gemacht. Ihr Studiengang aber wurde hier gar nicht angeboten, sie hätte nicht nur für die Seminare nach Bonn gemusst, sondern als angehende Geografin auch an zahlreichen Exkursionen teilnehmen müssen.

„Peter hat gar nicht verstanden, was ich mit meiner Zeit mache. Er kam abends gut gelaunt nach Hause und sagte immer nur: Mach doch! Mach doch einfach!“ Sie hat es versucht und sich zunehmend unter Druck gefühlt. Schließlich brach sie das Studium ab, jobbte hier und da und als ihr Sohn in der Schule war, hat sie eine Umschulung gemacht. Heute arbeitet sie in verantwortlicher Position in einem Verlag. „Bedauerst Du das eigentlich“, frage ich sie? „Quatsch“, sagt sie und schüttelt den Kopf, sie sei mehr als zufrieden mit ihrem Job. „Wer weiß, ob mir ein anderer Job genauso viel Spaß gemacht hätte.“

Frauen am Arbeitsplatz oft benachteiligt

Die Ergebnisse der Studie legen nahe: Arbeitgeber halten am klassischen Familienmodell fest. Jeder 3. Frau in der Altersgruppe 24 bis 35 Jahre wurde im Bewerbungsgespräch Fragen nach der Familienplanung gestellt. Insgesamt wurde jeder 2. Frau im Vorstellungsgespräch eine oder mehrere „unzulässige“ Fragen gestellt – zur Familienplanung, dem Herkunftsland oder möglichem Engagement in einer Gewerkschaft.

Schlechte Voraussetzungen also für eine gute Bezahlung. Drei von vier Frauen (75,1 Prozent!) hatten oder haben am Arbeitsplatz das Gefühl, unterbezahlt zu sein. Für 42,4 Prozent der befragten Frauen ist es die größte Herausforderung im Beruf, für gleiche Arbeit gleiches Geld zu bekommen, wie die männlichen Kollegen

War mein Kind ein Karrierekiller?

Glaubt man den Untersuchungen, ziehen die Herren den Damen erst mit Familiengründung davon – in Sachen Karriere und in Sachen Einkommen. Katti lacht – ihr damaliger Mann, heute ihr Ex, hat sich irgendwann selbständig gemacht und verdient ein Vielfaches ihres Gehalts. Katti stört das nicht. „Ich brauche das nicht und hätte auch ohne Kind keine vergleichbare Laufbahn eingeschlagen“, ist sie überzeugt.

Und ich? Hatte einen Platz an der renommierten Pariser Journalistenschule CFG sicher, als ich schwanger wurde – ich habe das abgesagt. Und als die Studienkollegen in Festanstellung gingen, hielt ich am eigenen Schreibtisch die Stellung – weil das freie Arbeiten mit Kind besser zu vereinbaren war. Nachmittags in einer Besprechung sitzen, während mein Sohn in der Kindergruppe, im Kindergarten oder Hort auf mich wartet – nein, das wollte ich nicht. So habe ich alle Jobangebote abgelehnt und nachts als „Freie“ eine zweite Arbeitsschicht eingelegt. Und ohne Kind? Hätte ich die Jobs gewollt und die Arbeit auch geschafft?

Ich weiß es nicht. Bedauert habe ich meine Wahl nie. Was aber, wenn die Umstände andere gewesen wären? Hätte Katti ihr Studium abgeschlossen, wenn ihr damaliger Mann nur 30 Stunden pro Woche hätte arbeiten müssen, ohne seine Karrierechancen zu riskieren? Hätte ich einen festen Job angenommen, wenn klar gewesen wäre: Um 15.00 Uhr bin ich durch die Tür – Konferenz hin oder her? Und wäre es mir dann heute im Job besser gegangen – hätte ich dann vielleicht „Karriere“ gemacht? Ich denke an eine andere Freundin, die erst schwanger wurde, nachdem sie die Karriereleiter aufgestiegen war. Ihr Arbeitgeber wollte sie unbedingt halten und hat kurzerhand einen Betriebskindergarten aufgebaut! Solche Initiativen sind wünschenswert und helfen Frauen wirklich, weder auf Kinder noch auf Karriere zu verzichten.

Schön, wenn es einfacher wäre!

Katti und ich sind uns einig: Hätte, wäre, würde: Das bringt uns nicht weiter. „Sie fragt sich, wie’s gelaufen wäre – ohne Kinder“…wir lachen und singen laut mit. Und ja: Wir sind mächtig stolz auf unsere Jungs. „Das Beste, was mir je passiert ist“, fällt mir ein. „Ich finde, wir haben das super gemacht“, sagt Kati. Ein „wäre“, da sind wir uns einig, wollen wir dann aber doch nicht streichen: Schön, wenn es für uns Mütter etwas einfacher gewesen wäre!

herMoney-Tipp:

Kinder sind offenbar noch immer Frauensache! Und manchmal leider ein Karrierekiller. Wenn Sie gerne Zeit mit Ihren Kindern verbringen möchten und dafür im Job kürzer treten: Gerne! Machen Sie sich aber die finanziellen Folgen bewusst. Ein Mann ist keine Altersvorsorge – besprechen Sie mit Ihrem Partner, wie der Ausfall Ihres Einkommens ausgeglichen werden kann. Langfristig sinnvoller wäre es vielleicht aber, sich die Kinderbetreuung mit Ihrem Partner zu teilen! Mehr zum Thema Geld und Liebe lesen Sie hier!

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Birgit Wetjen

Autorin

Birgit Wetjen ist Volkswirtin, Finanzjournalistin und Buchautorin. Sie ist überzeugt: Geldanlage ist nicht weiblich oder männlich – aber Frauen haben Berührungsängste und gehen anders an Geldthemen ran.